Die besonderen Merkmale, die Giebels Bilder von anderen fotografischen Bildern unterscheiden, äußern sich vornehmlich in formal-strukturellen Zusammenhängen; in der Anlage und dem Aufbau der Bilder sowie in der ästhetischen Haltung des Fotografen. Anschaulich Gestalt nehmen sie lediglich ein einziges Mal an, im Zyklus „Boote auf dem Land“ an. Der lakonisch beschreibende Titel bereitet die visuelle Pointe vor. Mit Ausnahme von Amphibienfahrzeugen sind Boote – was eigentlich nicht eigens erwähnt werden muss – zum Fahren auf Flüssen, Seen und Meeren bestimmt. Nur in den Bildern dieser Werkgruppe haben sie Räder. Damit die Boote über Land transportiert werden können, werden sie mit Rädern versehen.
Kein Grund also zur Aufregung. Doch dass Knut Giebel es für wert erachtet, sie zu fotografieren, samt dem Umstand, der ihn dazu gebracht hat, liefert einen weiteren Zugang zu seinem fotografischen Werk. Er markiert dessen „Alleinstellungsmerkmal“ und den Eigenwillen seiner Bilder und dient zur weiteren Untermauerung meiner These, dass seine Fotografie ein legitimer Bestandteil der „Autorenfotografie“ ist.
Wie nahezu alle Zyklen Knut Giebels wechseln auch in der Werkgruppe „Boote auf dem Land“ farbige und schwarz-weiße Aufnahmen einander ab. Wobei die schwarz-weißen Bilder die farbigen in diesem Fall an Trostlosigkeit übertreffen. Vielleicht ist Trostlosigkeit nicht das rechte Wort. Denn es prallt an den Bildern ab, ist ihnen irgendwie nicht angemessen, raubt ihnen ihre Unbestimmtheit. In dem offenkundigen Dilemma des schreibenden Autors enthüllt sich freilich mit Nachdruck die ungeheure Vielschichtigkeit eines auf die sichtbare Welt ausgerichteten fotografischen Bildes. Der Blickwinkel der Autorenfotografie verdichtet diese bloß. Fotografische Bilder nach Maßgabe der ästhetischen Kriterien von Kracauer entziehen sich deshalb einem nur an formalkünstlerisch-ästhetischen Kriterien ausgerichtetem Urteil. Sie sind reichhaltiger und vieldeutiger als selbstreferenzielle Kunstbilder, weil sie die verschiedensten Schichten des Sicht- und Erfahrbaren unauflösbar verschmelzen. Anders ausgedrückt: Die verschiedenen Wirklichkeiten der Welt zeichnen sich im fotografischen Bild ab.