Bereits in einer frühen Bildreihe hat Knut Giebel ein fotografisches Spiel des wechselseitigen Blicks inszeniert, indem er ein weibliches Modell fotografierte und sich danach dem Modell seinerseits als Modell zur Verfügung stellte. Allerdings verzeichnet die Bildreihe zwei signifikante Abweichungen. Im Gegensatz zum Fotografen ist das Modell nackt, und der Fotograf sucht der Fixierung seines (ihres) Blicks zu entkommen. Nicht ganz ausblenden sollte man obendrein, dass der Fotograf Initiator des Spiels des wechselseitigen Blicks gewesen ist.
Giebels schmaler Zyklus „Sich gegenseitig fotografieren“ widmet sich dieser Schnittstelle zwischen Bild und Mensch mit höchst aufschlussreichem Resultat. Sein Modell ist weiblich und übte den Beruf des Aktmodells aus; mithin eine „klassische Konstellation“ nicht der Porträt-, sondern einer Abwandlung, der Aktfotografie.
Knut Giebel verkörpert beispielhaft den Typus des Projekt-Künstlers. Ein Typus, der in der avancierten Kunst der Gegenwart neu ist, in der Kunst der Vergangenheit jedoch gang und gäbe war.
Knut Giebel erwies sich, ohne wahrscheinlich von Weiners Überlegungen zu wissen, in der Praxis nicht nur seiner Lehrtätigkeit als ihr Vollstrecker. So realisierte er nicht sämtliche seiner zahlreichen Ideen selbst, ließ sie vielmehr von Studentinnen und Studenten verwirklichen. Im Widerspruch zu Weiners Maximen verzichtete er allerdings nicht auf die strenge Kontrolle des Vollzugs sowie der materiellen Umsetzung.
14:30 Nanas Unterhalb der Nanas am Leineufer. Das Licht ist wieder konstant, fast schon zu stark. Sommerlicht bei der Ehrenbürgerin Niki de St. Phalle, die ich auch schon fotografierte.
„Die Idee der Explografie“, resümierte Giebel, „entstand mit dem Gedanken, Fotografie nicht an einem Bildrand aufhören zu lassen, sondern sie über den Bildrand hinaus zu gestalten – gleichwohl einer Philosophie am Ende auch immer einen Anfang zu sehen.“
Mag der letzte Satz auch ein bisschen mysteriös anmuten – Giebel war einer der ersten fotografischen Künstler, die sich derlei Crossover-Projekte ausdachten, sie anstießen, die Voraussetzungen für ihre Realisierung schufen, sie schließlich durchführten und mit Ausstellung und Katalog in der Öffentlichkeit vorstellten. Der Künstler als Ideenlieferant, Projektmanager und Unternehmer in einem.